Ärzte entdecken den kleinen Unterschied
Hormone bestimmen einen Gutteil dessen, was den biologischen Unterschied zwischen den Geschlechtern ausmacht. So schützen weibliche Geschlechtshormone Frauen in ihrer fruchtbaren Lebensphase vor Gefäßverkalkung, Arteriosklerose, und ihren bösen Folgen. „Männer bekommen zehn Jahre früher als Frauen eine Arteriosklerose der großen Gefäße und auch der Herzkranzgefäße“, erläuterte Vera Regitz-Zagrosek vom Deutschen Herzzentrum, Direktorin des Berliner Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin, bei einem Symposium des Instituts.
Hormone und Herzinfarkt hängen zusammen
Trotzdem bekommen auch immer wieder jüngere Frauen einen Herzinfarkt, vor allem starke Raucherinnen. Für die Herzspezialisten, deren Norm lange der männliche Patient darstellte, ist verblüffend, dass sich dabei oft ein anderes Bild zeigt. Die Herzkranzgefäße sind offen, auf den ersten Blick sind kaum Veränderungen erkennbar. „Syndrom X“ nennen das die Mediziner, und sie führen es auf Störungen der Zirkulation des Bluts in den kleinen Gefäßen zurück.
Inzwischen gibt es einen interessanten Erklärungsansatz für die Unterschiede: Eine größere Anzahl im Blut zirkulierender Stammzellen könnte bei jüngeren Frauen für die zuverlässigere Ausführung von Reparaturarbeiten an den großen Gefäßen sorgen. Wie viele dieser Stammzellen sich im Blut tummeln und wie gut sie arbeiten, hängt nach neuen Erkenntnissen mit der Östrogenkonzentration im Gewebe zusammen.
Frauen haben öfter Depressionen als Männer
An der Rolle der Hormone kommt auch nicht vorbei, wer erklären will, warum Frauen doppelt so häufig an Depressionen erkranken wie Männer. Offensichtlich sind sie in Zeiten besonders gefährdet, in denen die Spiegel weiblicher Hormone sich stark verändern oder heftig schwanken. Als prämenstruelles Syndrom bekannt sind Stimmungsschwankungen kurz vor der Monatsblutung, in den Medien wurde in letzter Zeit zudem viel über die postpartale Depression direkt nach der Geburt eines Kindes berichtet.
Die Charité-Psychiaterin Stephanie Krüger erläuterte, dass Frauen oft erstmals während der Schwangerschaft an einer Depression erkranken. Viele kommen dann heimlich in ihre Sprechstunde für Frauen mit affektiven Störungen. „In unserem Kulturkreis sind Depression und Schwangerschaft schwer vereinbar.“ Besonders stark steigt das Risiko, von einer Depression erwischt zu werden, in den Wechseljahren, wie Krüger berichtete: „In den zwei Jahren um die Menopause herum ist das Risiko 14 Mal höher als in den vorangegangenen 30 Jahren.“ Inzwischen gebe es auch einige Anhaltspunkte dafür, dass es sich lohne, vor den Wechseljahren andere Medikamente einzusetzen als in späteren Jahren. Mittel gegen Depressionen aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirken demnach besser bei jüngeren Frauen mit höheren Östrogenspiegeln.
„Zeiten reproduktiver Veränderungen sind besondere Risikozeiten für Depressionen“ resümierte Krüger. Sind also allein die Hormone daran schuld, dass Frauen leichter eine Depression bekommen als Männer? „Wir müssen auch die gesellschaftlichen Faktoren berücksichtigen. Studien zeigen zum Bespiel, dass Berufstätigkeit Frauen vor Depressionen schützen kann“, ergänzte Astrid Bühren, Vorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes. Krüger gab ihr recht, andererseits macht sie in ihrer Sprechstunde aber auch die Erfahrung, dass viele Frauen sich entlastet fühlen, wenn sie von den hormonellen Zusammenhängen erfahren.
"Auch Nieren haben ein Geschlecht"
„Auch Nieren haben ein Geschlecht", mit dieser Feststellung verblüffte die Charité-Nierenspezialistin Duska Dragun ihre Zuhörer. Dass eine weibliche Niere mit weniger „Bausteinen“, Nephronen, gesegnet ist und deshalb weniger Masse hat als die männliche, gefährdet anscheinend ihre Funktionstüchtigkeit zunächst einmal nicht. Jedenfalls haben Männer deutlich häufiger „etwas an den Nieren“. Bekommen Frauen einen Diabetes vom Typ 2 („Alterszucker“), dann entwickeln sich bei ihnen aber genauso oft Folgeschäden in diesem wichtigen Filterorgan. Geht es darum, wer für eine Transplantation infrage kommt, dann werden, wie Dragun berichtete, wiederum Frauen seltener als geeignet betrachtet.
Dafür sind Frauen anscheinend großzügiger, wenn es darum geht, sich von einer ihrer beiden Nieren zu trennen. „Wir haben doppelt so viele weibliche Spenderinnen“, berichtete Dragun. Die häufigste Form der Lebendspende, bei der eine Frau eine ihrer beiden gesunden Nieren einem männlichen Patienten spendet, hat dabei langfristig die schlechtesten Erfolgsaussichten – aus noch nicht ganz geklärten Gründen. Dass die weibliche Niere mit zu wenig Nephronen bestückt sein könnte, um für die Filterfunktion im männlichen Körper auszureichen, hält die Nierenspezialistin für eine zu simple Erklärung. Wahrscheinlich seien auch Unterschiede im Immunsystem und, auch in diesem Fall, die Hormone mit im Spiel.
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